Susan Ringleb arbeitet seit 10 Jahren beim Palliativteam Frankfurt als Hospizhelferin und Trauerkartenschreiberin.

Das Palliativteam Frankfurt kümmert sich auch nach dem Tod der Patient:innen um die Angehörigen. Nach sechs Wochen erhalten die Hinterbliebenen eine persönliche Trauerkarte. Das Feedback auf diese Trauerkarten ist seit neun Jahren überwältigend und reicht von einer Schachtel Nussecken bis zu einer Spende für die Kaffeekasse. Oft sind es ein paar Zeilen, in denen sich die Angehörigen dafür bedanken, in ihrem Schmerz gesehen zu werden, wenn die Welt sich für alle anderen schon längst weitergedreht hat. Frau Ringleb verschickt bis zu 500 Trauerkarten im Jahr.

 

Was ist das Besondere am Zuhören bei Ihrer Arbeit im Palliativzentrum Frankfurt?

Ich höre bei unseren regelmäßigen Teambesprechungen genau hin. Die Verstorbenen der letzten Woche sind quasi mit im Raum und wir sammeln auf Karten, was uns an den einzelnen Patient:innen besonders erschien. Manchmal saß eine Katze auf dem Bauch, manchmal haben die Kinder herumgetobt. Zuhören zulassen bedeutet für mich, diesen Beruf erst wirklich ausüben zu können.

Ich gebe dann auch weiter, wer sich auf unsere Karten hin gemeldet hat. Wir wenden uns dadurch der positiven Seite zu und nicht selten wird dabei gelacht.

Das Besondere an meiner Arbeit als Trauerkartenschreiberin ist es, Zeit zu haben und mit dem Team mitzuschwingen. Wenn Geschichten geteilt werden, springt mein Kopfkino an und es entstehen Bilder. Ich weiß dann, wie ich die Karte an die Angehörigen schreiben werde und welche Nuancen wichtig sind.

 

Wie haben Sie gelernt, zuzuhören?

Das Leben mit seinen Facetten, vor allem in der Familie, hat mein Zuhören beeinflusst. Wir merken oft gar nicht, wie tief unsere Schubladen sind, in denen wir unbewusst denken. Je älter ich werde, desto länger wird mein Atem und desto geduldiger werde ich. Die Arbeit im Palliativzentrum hilft mir, Dinge einfach mal stehen zu lassen und nicht gleich zurückschießen zu wollen. Das ist deeskalierend. Ich ermögliche Raum in einer zugetexteten Zeit. Im Team sind wir gezwungen, zu entschleunigen: Wir sprechen mit Menschen, bei denen es nur um alles oder nichts geht. Es ist dabei unmöglich, zwischen dem Zuhören und Verstehen Sachen zu sagen, die du gar nicht wissen kannst.

 

Wann hat Zuhören einen Unterschied gemacht?

Zuhören macht bei uns im Team einen großen Unterschied. Hier musst du Zeit füreinander haben, sonst könnte niemand diese Arbeit machen. Wertvoll ist vor allem das Feedback, das wir für unsere Trauerkarten erhalten, das uns tief berührt und manchmal auch zum Lachen bringt.

Die Arbeit ist ein Ort für „Zuhören lernen müssen“. Der Mensch, vor dem wir stehen, ist der wichtigste, reduziert auf eigenen Körper und Hilflosigkeit, beides verwoben mit dem Selbst. Wir leben Fürsorge.

 

Was hat sich für Sie verändert?

Ich bin aufmerksamer geworden. In abstrakter Form erzähle ich viel von der Arbeit: „Mach mal langsam, es gibt noch mehr als Arbeit.“ Ich rege dazu an, die Hausaufgaben wie Vorsorgevollmacht oder Testament in der Lebensmitte zu erledigen, dann ärgern sie einen nicht auf dem Sterbebett.

Ich lebe bewusster.

 

Liebe Susan Ringleb, vielen Dank!

Alle Informationen zum Palliativzentrum Frankfurt gibt es hier https://www.palliativteam-frankfurt.de