Agile trifft auf Improvisation: Stefan Kollmeier ist Agile Coach sowie Moderator und Trainer für angewandte Improvisation. Seit 2005 steht Stefan als Schauspieler und Musiker auf der Bühne und hat 2010 das Improvisationstheater für sich entdeckt. Beim Improvisationstheater (kurz: Impro) entstehen Stücke on-the-fly ohne Inszenierung oder Drehbuch. Die Handlung wird gemeinsam mit dem Publikum entwickelt und dabei zu 100% improvisiert. Ich habe Stefan 2017 bei der Design@Business Community mit seinem „Collaboration in Full Trust“ Impuls kennen und schätzen gelernt. Wen das Zusammenspiel von Improvisation und Design Thinking interessiert, dem sei sein Artikel dazu wärmstens ans Herz gelegt.

 

Stefan, was ist das Besondere am Zuhören beim Improvisationstheater?

Beim Impro hört man auf ganz viele verschiedene Arten und Weisen zu. Einmal geht es natürlich darum, tatsächlich auf das zu achten, was auf der Bühne gesprochen wird. Dann beobachte ich auch sehr stark die Spannungskurve, die auf der Bühne passiert. Ich schaue auf die Emotionen, die gerade da sind, weil man immer versucht, auf dem Höhepunkt einer Szene diese entweder zu verändern, zu beenden oder auf die nächste Szene umzuschalten. Dabei höre ich weniger auf das gesprochene Wort, sondern mehr auf die Dinge, die auf der Bühne passieren im Sinne von Nähe und Distanz. Wie stehen die Spieler zu zueinander? Kommen sie sich näher? Denk an den klassischen Filmkuss Moment. Beim Impro schneidet man am besten sogar kurz vorher oder setzt einen Schnitt. Was passiert gerade in dem Wechsel der Emotionen?

Hier geht es gar nicht so sehr darum, was da inhaltlich gesprochen wird, das ist eigentlich nur das Beiwerk. Beim Impro lernt man relativ schnell, alles auf wenige Grundemotionen und -konstellationen von Menschen zu reduzieren, d.h. Nähe und Distanz. Die Emotionen, die dahinter liegen, sind eigentlich die Hauptakteure auf der Bühne.

Ich achte auch auf die Statusspiele auf der Bühne. Ein Spieler hat zum Beispiel einen hohen Status, klassischerweise ein König in einem Märchen. Jetzt nehmen wir einen Knecht dazu und schon haben wir einen Status. In einer Geschichte ist es natürlich immer schön, wenn es einen Statuswechsel gibt. Es geht darum, genau diese Momente zu erfassen, die ja sehr universell sind.

Sprache, Kostüme, ausstaffierte Charaktere – das ist eigentlich alles Schmückwerk. Das Wichtigste, was auf der Bühne passiert ist das Spiel von Nähe, Distanz, Status und Emotionen. Und das hört man.

Ich bin auch Impro Musiker. Ich sitze zum Beispiel mit einem Klavier oder einer Cajon neben der Bühne. Dann versuche ich das, was auf der Bühne passiert, hörbar zu machen im Sinne von „was passiert denn da gerade?“ Kommen sich Leute näher, wird Spannung aufgebaut oder passiert etwas Schönes, aber Trauriges? Die Art und Weise, wie ich mit Musik unterstütze, gibt dem Ganzen eine Bedeutung. Dabei reagiere ich nicht nur passiv, sondern gebe ja auch Impulse rein, kann Brüche setzen und versuche das hörbar zu machen oder zu untermalen, was auf der Bühne passiert.

 

Kannst du durch deine Musik und die Umsetzung des Gehörten auch die Handlung beeinflussen?

Ja, maßgeblich sogar. Ich kenne ja beide Rollen. Als Musiker ist man voll dabei und auch der Zuschauer hört das alles. Das ist wie Filmmusik. Unbewusst wirkt das sehr stark auf die Wahrnehmung der Szene und die Emotionen. Wenn du hingegen als Darsteller auf der Bühne bist, dann hörst du die Musik fast gar nicht. Also muss jemand wirklich ganz dramatisch einen Akkord spielen. Meine Erfahrung ist, dass Musiker das gar nicht bewusst wahrnehmen. Sie tragen eher unbewusst dazu bei, dass sich etwas auf der Bühne verändert. Es ist im weitesten Sinne ein unbewusstes Hören, was die Szene prägt.

Stell dir vor, zwei Leute unterhalten sich und du drückst einfach einen tiefen Ton. Dann gibst du einem Satz Bedeutung. Hättest du den gleichen Ton eine Minute später gedrückt, hätte die Szene einen ganz anderen Verlauf genommen. Dann hätte ein anderer Satz Bedeutung bekommen durch die Untermalung mit der Musik.

 

Auf der Bühne hörst du vermutlich nicht nur mit den Ohren zu, sondern nutzt deinen Körper als Resonanzraum?

Ich versuche, in Resonanz zu sein mit dem Raum und mit den Zuschauern, vor allem aber mit den Spielpartnern, Musikern und den Spielern, die gerade nicht in der Szene sind, aber jederzeit reinkommen und etwas verändern oder beenden können. Resonanz oder dieses Wahrnehmen mit dem Körper trifft es eigentlich wirklich sehr stark. Das versuchen wir, zu trainieren, dieses sich aufeinander einstellen und eintunen, um dann zusammen im Moment zu sein und eine gemeinsame Geschichte zu spielen.

Impro ist quasi Theater, ohne dass man ein Skript hat, die Inspiration kommt vom Publikum oder aus sich selbst heraus. Unser Grundprinzip dabei heißt YES AND (im Gegensatz zum geläufigen „Ja, aber…“). Im „YES“ steckt das Zuhören drin. Das baut wie eine Mauer aufeinander auf. Jeder gibt sein Steinchen dazu und dann kommt es eben darauf an, wo man sein Steinchen hinsetzt. Setzt man das nebeneinander, aufeinander oder ganz woanders hin? Und das YES ist dabei ganz wichtig. Es bedeutet, hinzuhören, wo der/die andere gerade einen Stein hinsetzt. Da geht es um Kreativität. Jeder hat schon eine Geschichte im Kopf. Die muss man aber erstmal fallen lassen, um sich überhaupt einlassen zu können auf die Geschichte bzw. auf das gemeinsame Bauen.

Natürlich funktioniert das in der Realität nicht immer. Aber wenn wir zusammen im Flow sind, dann schaffen wir es, eine Geschichte auf magische Art und Weise fließend zu erzählen. Wenn diese Resonanz funktioniert, das ist großartig. Diesen Moment suche ich eigentlich auch immer. Genau da wollen wir immer wieder hin, aber es klappt aber nicht immer. Das macht aber auch den Reiz aus.

 

Das erinnert mich an das magische Auge im alten Röhrenradio meiner Großeltern. Ist der Sender richtig eingestellt, leuchtet es.

Genau und das spürt auch jeder im Raum. Wenn du dir übrigens die gleiche Szene dann auf Youtube anschaust, dann springt diese Resonanz leider manchmal gar nicht über. Es ist eine Live Kunstform, die kann man nicht so gut transportieren, weil die Resonanz des Publikums eben auch mitschwingt.

Anfang letzten Jahres habe ich in Playback Theater reingeschnuppert. Dabei bekommst du als Schauspieler:in eine Geschichte aus dem Publikum erzählt und versuchst, diese Geschichte, ihre Emotionen oder das Dahinterliegende mit verschiedenen Formen auf der Bühne darzustellen. Ich habe mich dabei gefragt, ob dem/der Fallgeber:in klar ist, dass sie womöglich auf dünnem Eis unterwegs sind. Wir alle haben Geschichten, die wir gut erzählen können. Manchmal steckt jedoch ein ganz anderer Kern dahinter. Wie ist deine Erfahrung dazu?

Ich habe einmal das All Playback Theater aus Israel erlebt, eine tolle Bühnenpräsenz. Eine Moderatorin hat die Menschen aus dem Publikum auf die Bühne geholt, sich neben sie gestellt, sie ein bisschen am Arm berührt und dann eine Geschichte rausgekitzelt. Dann haben wir Workshops genau zu diesen Themen durchgeführt. Berührend, was da rauskam. Ganz viel Emotion, wahrhaftige Momente und gleichzeitig auch eine riesengroße Verantwortung, mit den echten Geschichten aus dem Publikum zu arbeiten. Das machen wir mit dem Improvisationstheater natürlich auch. Dabei passen wir immer auf, wirklich wertschätzend gegenüber dem Publikum und den mitgebrachten Geschichten zu sein.

Einige Leute, die Impro einfach ein bisschen zum Spaß machen gehen, die merken das vielleicht nicht, aber wenn man sich näher damit beschäftigen, muss man natürlich auch gewisse Kompetenzen mitbringen.

 

Stichwort Kompetenz, Stefan: Wie hast du gelernt, so zuzuhören?

Ich glaube, das lernt man durch das ständige Ausprobieren der Techniken. YES AND als Grundprinzip gibt es ja in verschiedenen Übungen, das sind Zuhör- und Spiegelübungen. Schauen, was der andere macht. Welche Impulse löst das aus? Also diese Dinge übt man einfach immer wieder, in meinem Fall seit über 10 Jahren. Und das verändert definitiv. Das habe ich an mir selbst erlebt und das sehe ich bei Schülern.

Man kann das natürlich auch alles machen und sich nicht darauf einlassen. Man kann trotzdem witzig schauspielern oder eine tolle Geschichte erzählen, aber wenn du dich wirklich auf den Prozess und auf die Menschen einlassen möchtest, dann brauchst du diesen Schritt.

 

Kannst du mir ein Beispiel geben für  eine Veränderung?

Auf jeden Fall sprudeln viel mehr Assoziationen aus mir heraus, ohne dass ich sie bewerte, Die innere Zensur ausschalten zu können im richtigen Moment, ist das eine. Dann die Dynamiken, die kann man ja auch im Alltag beobachten, also Nähe, Distanz und Emotionen. Das nehme ich stärker wahr und fokussiere mich darauf. Es hilft auch in beruflichen Situationen, dieses Mindset von YES AND zu verkörpern. Ich höre erst mal zu, bevor ich direkt rein gehe, meinen Senf dazugebe oder meine eigene Idee auch noch rauspushen will.

Ich behaupte jetzt mal, dass gute Impro Spieler kein aufgeblähtes Ego haben. Ist zwar ein bisschen verquer, weil man auf der Bühne mit Applaus verwöhnt wird. Auf der einen Seite muss man das auch immer wieder schnell zurückfahren, um sich wieder einzustellen und eigene Ideen wieder fallen lassen zu können. Deswegen sind wir Impro Spieler oft sehr umgängliche Menschen (wir lachen beide).

 

Also gibt es diesen Transfer auch runter von der Bühne?

Definitiv. Am Anfang meiner Karriere hatte ich so einen Jekyll & Hyde Moment. Ich bin Ingenieur vom Background her und habe lange sehr technische Dinge bearbeitet. In den ersten Jahren meines Berufslebens habe ich einige Assessment Center erlebt und zu dem Zeitpunkt auch parallel auch schon lange Impro gespielt, d.h. auf der Bühne immer relativ schnell direktes Feedback erhalten.

Das Feedback aus dem Assessment Center war ein ganz anderes, als ich das von der Bühne kannte. Man sagte mir, ich wäre irgendwie so ein nüchterner und steifer Mensch. Das hat mich irgendwie gepackt. Also warum diese Rückmeldung? Auf der Bühne war ich ganz anders. Irgendwann hat es dann bei einem Kommunikationsworkshop Klick gemacht. Ja, ich war einfach bei der Arbeit ein anderer Mensch gewesen und wollte eine Seriosität verkörpern als zwar freundschaftlicher, doch rationaler Ingenieur, der sich um ernsthafte Dinge wie Wellenberechnung kümmert.

Auf der Bühne war ich jemand ganz anderes und das war ein unfassbar heilsamer Schritt, diese zwei Seiten zusammenzubringen. Dann habe ich tatsächlich angefangen, bei der Lufthansa Impro mit einzubringen. Und so hat sich ja dann auch meine nebenberufliche Selbstständigkeit entwickelt. Impro ist wirksam und man kann es in andere Kontexte transferieren.

Der Jekyll & Hyde Moment in meinem Kopf war aufgelöst und seitdem bin ich viel ganzheitlicher, weil ich das auch bewusst im Alltag und im Büro nutzen kann und jetzt auch anderen zeige, wie sie das vielleicht erreichen können, so zu sein.

 

Einen Jekyll & Hyde Moment auflösen… ich glaube, das wünschen sich ganz viele Menschen. Ich stelle es mir schwer vor, sein eigenes Thema nicht zu kennen oder nicht leben zu können.

Und das war tatsächlich bei mir so. Impro ist mein Thema und ich konnte es nicht leben. Und dabei war es nicht so, dass mir Ingenieurwesen und Technik keinen Spaß machten. Das ist ja auch mit ein Grund dafür, warum ich einen Wissenschaftspodcast habe. Das ist ein superspannender Teil meines Lebens ist. Und es gab eben auch den anderen Teil des Künstlers gefangen im Körper eines Ingenieurs. Wie war das bei dir?

 

Ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen. Zuhören und Facilitation waren immer da. Es gab letztendlich ein paar Momente und Begegnungen, in denen ich beides nicht mehr übersehen konnte. Ich spürte dann erstmal…..Ruhe! Die Ruhe, die du hast, wenn „dein“ Thema dich gefunden hat. Dann habe ich mich auf den Weg gemacht und gelernt. Selbst im Vertrieb früher habe ich häufig darauf geachtet, wie Menschen miteinander sprechen. Was wird gesagt und was nicht? Welche Dynamik ist im Raum? Aufgrund meiner familiären Umstände fing ich an, mich zu fragen, was mit Menschen passiert, die ihre Geschichten nicht mehr teilen können. Das treibt mich an.

Dann bist du auch von dem Schmückwerk des Inhalts weggegangen wie im Theater und hast die Interaktion der Menschen beobachtet. Wenn man das immer weiter reduziert, dann ist das wie ein Schachspiel. Es gibt eine ganz schöne Übung dazu, die heißt Zug um Zug: Zwei Menschen stehen auf der Bühne. Der eine entscheidet sich immer nur, will ich jetzt näher ran oder gehe ich weiter weg? Dann bleibt das so, der andere darf nicht direkt reagieren, sondern immer erst mal gucken, was löst das in mir aus? Und erst dann agieren. Das kann man stundenlang machen und die Zuschauer interpretieren die wildesten Geschichten, ganz ohne Sprache. Irgendwann landest du bei diesem Grundprinzip von Nähe und Distanz und den Emotionen dazwischen.

 

Genau. Es gibt diesen schönen Satz „Stop Listening your Eyes“  –  hör auf, mit den Augen zuzuhören. Es geht um Resonanz und Wahrnehmung.

Stefan, wie übst du, loszulassen?

Die Frage habe ich mir selbst noch nie gestellt. Wie übt man loslassen?

Also rein rational übt man beim Improvisationstheater einfach die verschiedenen Ausgänge von Szenen.  Es gibt den Ausgang der Szene, wenn ich selber was reingebracht habe und oft geht man dann auch in den Übungssituation wieder zurück und macht eine alternative Version davon oder übt es nochmal auf eine andere Art und Weise, also ein A/B Testing.

Ein schlauer Trainer hat mal gesagt, es gibt drei Arten, wie du einer Szene helfen kannst. Die erste ist, du gibst etwas Neues rein. Das ist der Standard, den wir alle gerne machen. Unser Ego jubelt, wenn wir einer Szene helfen. Vielleicht bin ich als König reingegangen und habe ein Urteil gesprochen, das war doch inhaltlich toll, das hat meine Geschichte jetzt rund gemacht, die ich schon immer mal erzählen wollte.

Die zweite ist, indem man die Szene beendet. Das hat schon wieder viel mehr mit Zuhören zu tun, aber noch nicht so viel mit Loslassen. Du hältst nach dem guten Moment Ausschau, in dem sich eine Szene verändern kann. Wo ist der Höhepunkt? Selbst wenn es ihn nicht gibt, muss man manchmal eine Szene auch einfach beenden, um die Menschen zu retten. Das gibt es auch, aber im Idealfall eben an diesem Höhepunkt oder wenn es halt wirklich einen schönen Moment dafür gibt.

Das dritte ist, in dem man einfach draußen bleibt. Der schwierigste Moment natürlich, weil da musst du dann loslassen. Wenn du siehst, dass diese Szene wie sie da läuft, genau gut und richtig ist, dann braucht man auch gar nichts anderes. Ich muss mich einfach nur aktiv raushalten.

Eine Anekdote, die mir dazu einfällt, ist vom Impro Festival in Mainz. Wir hatten vier Wochen lang ein Format geübt. Ein Format ist ein Rahmen, den man sich setzt, um eine Geschichte zu erzählen. Wir waren aufgeregt, vor so viel Fachpublikum zu spielen. Unsere Show lief gut und ich hatte nicht so viele Momente, wo ich dachte, jetzt muss ich da reingehen. Und dann habe ich nachher ein Feedback erhalten von jemandem aus dem Fachpublikum: „Stefan, ich habe gesehen, du warst fast gar nicht da, das fand ich toll.“ Der hatte genau diesen Moment gesehen, in dem ich nicht reingegangen bin.

Das nehme ich als einen meiner besten Momente mittlerweile und es ist mir vollkommen egal, dass ich vier Wochen dafür geübt hatte. Es passte einfach nicht, reinzugehen. Es lief super ist auf der Bühne.

Aber wie übt man es jetzt? Man übt natürlich schon viel, Ideen fallen zu lassen, zum Beispiel in der Ein-Wort-Geschichte, wo man das sehr plakativ sieht. Jede:r sagt ein Wort und zusammen entsteht ein Satz. Die Geschichte kannst du nicht steuern und du kriegst immer wieder diesen Moment, dass dein Gegenüber ein Wort sagt, das nicht zu deiner Vorstellung der Geschichte passt. Es geht um Synchronisieren und Ideen fallen lassen. Dieses ständige schnelle „Idee haben -> Idee fallenlassen“, das trainiert es ziemlich gut.

 

Wenn du es mit einem guten Gespräch vergleichst, was gibt es da zu entdecken?

Ich muss meine Aufmerksamkeit auf das fokussieren, was ich bekomme, damit ich das gut umsetzen und einen Beitrag liefern kann. Nicht so sehr das Gespräch zu lenken, weil man das halt nicht immer hinbekommt. Wenn ich irgendwie versuche, das Gespräch in eine bestimmte Richtung zu drücken, die mir passt, dann klappt das nicht und dann reißt der Gesprächsfaden ab.

 

Vielleicht sollte man diese Übung mal als Warm-Up mit Politikern in Talkshows machen?

Da geht es ja wirklich genau darum, die eigene Linie durchzudrücken. Das wäre allerdings schon interessant zu beobachten, wie sich Gespräche verändern würden.

 

Hat Zuhören mal ganz konkret einen Unterschied gemacht?

Den einen definierten Moment habe ich nicht. Meine YES AND Haltung ist schon etwas, was ich von Menschen gespiegelt bekomme, ohne dass ich davon erzähle. Das habe ich anscheinend verinnerlicht. „Stefan, du bist so positiv“ oder „Du hörst gut zu und gibst immer wieder etwas dazu, damit es weitergeht“. Das lebe ich so, weil es funktioniert. Das Ego zurückschalten in Diskussionen. Ich versuche immer, den YES AND Modus zu aktivieren und dann weiterzukommen in einer Konfliktsituation oder Diskussion.

 

Wenn du sagst, das Ego zurücknehmen und erst mal zuhören, hast du die Erfahrung gemacht, dass du nicht als „machtvoller Spieler“ wahrgenommen wirst?  

Ja, auf jeden Fall. Vor kurzem gab es eine Feedbackrunde auf der Arbeit und mir wurde gespiegelt, dass ich zugänglich sei und eine gute Dynamik und Wertschätzung in die Kommunikation brächte usw., aber harte Entscheidungen treffen, wäre ein Entwicklungsfeld von mir.

Das braucht man tatsächlich aber auf der Bühne natürlich auch, sich durchsetzen oder einen Schnitt setzen. Es gibt die zwei Begriffe einer Geschichte: extend und advanced. Extend bedeutet, eine Geschichte auszuschmücken, also blumige Sachen zu erzählen. Advanced ist, einen Schritt weitergehen in der Geschichte, sie noch weiter zu erzählen.

Wir brauchen beides.

 

Was passiert, wenn niemand zuhört?

Auch dazu fällt mir eine Geschichte ein. Wir waren auf einer Business Veranstaltung einer großen Firma, die ihr 100-jähriges Bestehen feierte. Es gab eine riesige Bühne und auf dem Gelände waren mehrere 1.000 Menschen, aber vor unserer Bühne hat niemand zugehört. Wir waren jedoch vertraglich dazu verpflichtet, trotzdem die Show zu spielen. Das hat ganz viel mit unserem Auftritt gemacht, der war nämlich deutlich schlechter, weil niemand uns zugehört hat.

 

Unsere Arbeit, egal ob auf der Bühne oder im Online Meeting, ist auch immer ein Beziehungsangebot.

Gibt es noch etwas, was dir zu unserem Thema einfällt?

Wenn ich es mal runterbreche, geht es darum, bei sich selbst erstmal anzufangen und mit sich im Reinen zu sein. So baue ich auch bei mir im Kopf die Geschichte auf. Ich lasse alles weg, was mich drumherum beschäftigt und fahre das eigene Ego, die inneren Ängste und Zensoren runter, um mich überhaupt einlassen zu können.

Dann kann ich auch YES sagen. Für mich ist das immer ein Ich und ein Du und in diesem Zwischenraum, dieser Brücke entsteht Verbindung und es wird magisch. Stell dich auf die anderen ein und schaue, was dann für spannende Sachen passieren. Nicht quatschen, sondern einfach mal schauen, was passiert.

Vielen Dank Stefan für das wunderbare Gespräch!

Wenn ihr mehr über Stefan und seine Arbeit erfahren möchtet, dann geht es hier entlang!