Es gibt einige Dinge, die wir gleichzeitig tun können: Duschen und Singen zum Beispiel. Spazierengehen und sich unterhalten. Das sind Aktivitäten, für die unser Gehirn zwei unterschiedliche Areale aktiviert oder die stark ritualisiert sind.

Wenn du hingegen zwei Aktivitäten startest, die die gleichen Hirnareale ansprechen, wird es knifflig:

Im Fall vom Zuhören sind es zum Beispiel alle Aufgaben, die irgendwie mit Sprache zu tun haben: nebenbei lesen oder Musik hören, die nicht rein instrumental ist. Wir hoffen, unsere Zeit zu maximieren, in dem wir zwei oder mehr Sachen auf einmal erledigen.

Das ist kein Multitasking, sondern vielmehr „Switch-“ oder „Wechsel-“ Tasking. Diesen Wechsel nehmen wir allerdings nicht wahr, so dass der Eindruck entsteht, dass wir uns tatsächlich auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren können. Nachrichten schreiben während du Auto fährst, ist auf jeden Fall eine ganz schlechte Idee. Telefonieren und nebenher Emails beantworten funktioniert nicht wirklich gut. Ist dir beim Kochen schon einmal etwas angebrannt, weil du gleichzeitig auf eine Nachricht reagiert hast? Bitte schön!

Du kannst keiner der beiden Aufgaben volle Aufmerksamkeit geben. Über kurz oder lang wird es zu Fehlern kommen und du brauchst deutlich länger für deine Aufgaben. Überkochendes Nudelwasser ist vermutlich noch das geringste Problem.

So weit schon mal gehört? Dann weiter zum nächsten Schritt.

Unser Gehirn lässt sich gern dazu verleiten, es doch wieder mit Multitasking zu versuchen. Das schnelle Umschalten von einer Aktion zur nächsten löst einen Dopamin-Schub aus und belohnt das Gehirn effektiv dafür, dass es die Konzentration verliert und ständig nach externen Reizen sucht.

Leider wird dadurch auch die Produktion der Hormone Kortisol und Adrenalin erhöht. Wir fühlen uns zwar super effizient, tatsächlich nebeln wir unser Denken und damit leider auch unsere kognitiven Fähigkeiten ein. Moment, da war doch noch etwas mit Kortisol und Adrenalin? Richtig: Stress- und Angstgefühle. Wir fühlen uns zunehmend hibbelig und nervös. Genau das Gegenteil also vom angestrebten Zustand. Jede neue Nachricht gibt uns einen Kick und steigert gleichzeitig Stress und Angst. Ablenkungen durch eingehende Nachrichten kosten Energie und lassen unsere kognitiven Fähigkeiten sinken. Forschung zeigt sogar, dass eine ungelesene E-Mail unseren IQ um bis zu 10 Punkte reduzieren kann. [1]

Erschwerend kommt hinzu, dass beim „Multitasking“ häufig Entscheidungen getroffen werden: Antworte ich auf diese Nachricht oder ignoriere ich sie? Mache ich mit dem weiter, woran ich gerade arbeite oder gibt es etwas Wichtigeres? Es hat sich herausgestellt, dass die Entscheidungsfindung unsere neuronalen Ressourcen sehr stark beansprucht. Kleine Entscheidungen scheinen genauso viel Energie zu verbrauchen wie große. Dies führt schnell zu einem erschöpften Zustand, in dem wir nach vielen unbedeutenden Entscheidungen am Ende wirklich schlechte Entscheidungen über etwas Wichtiges treffen können.

Warum also beanspruchen wir unsere tägliche Informationsverarbeitung durch Multitasking noch zusätzlich?

Es kommt noch schlimmer: Russell Poldrack, Neurowissenschaftler an der Stanford University, fand heraus, dass wir im Multitasking-Modus Gelerntes in der falschen Gehirnregion abspeichern[2]. Studierende, die gleichzeitig fernsahen, haben Informationen im Striatum gespeichert, einer Region, die auf die Speicherung neuer Verfahren und Fähigkeiten, nicht aber auf Fakten und Ideen spezialisiert ist. Ohne die Ablenkung durch Fernsehen gelangten die Informationen hingegen in den Hippocampus, wo sie sinnvoll organisiert und kategorisiert werden und damit leichter abrufbar sind. Wir machen uns vor, effizienter zu sein, sind es aber nicht.

Lösung Single Tasking

Was also tun, wenn alle nach Multitasking streben und wir gleichzeitig von überall her abgelenkt werden? Die Antwort lautet Single-Tasking: Ungeteilte Aufmerksamkeit ist vielleicht eins der größten Geschenke, die wir uns machen können.

„Wir machen erst den Ausflug. Dann kannst du arbeiten“[3]

Entscheide dich ganz bewusst für eine Sache. Vielleicht bist du schon versiert darin oder hast sogar eine Achtsamkeitsroutine? Wunderbar. Sonst fange klein an und achte auf die Unterschiede: Wenn du in einem Gespräch bist, dann bist du in einem Gespräch. Keine What’s App, kein Schnick, kein Schnack. Nebenbei wird so die Qualität deiner Unterhaltung gesteigert, du erfährst mehr Informationen, kannst dir Inhalte besser merken und dein Gegenüber wird sich dir eher öffnen. Wenn du keine Aufmerksamkeit schenken kannst, ist es u.U. besser, kein Gespräch zu führen oder es zu vertagen.

Schalte die Benachrichtigungen auf deinem Smartphone aus, wenn du in eine Tätigkeit abtauchen möchtest oder konzentriert arbeiten musst. Nutze dazu auch Techniken wie die Pomodoro Technik, um in einen tiefen Arbeitsflow zu kommen. Sie heißt Pomodoro (italienisch für Tomate), weil du dazu einen Küchenwecker (die Methode kommt aus den 80ern…) brauchst und der häufig einer Tomate nachempfunden war.

Entwickelt wurde die Methode von Francesco Cirillo und sie geht wie folgt:

  1. Überlege dir, welche Aufgabe du bearbeiten möchtest
  2. Stelle dir einen Wecker auf 25 Minuten ein
  3. Arbeite an deiner Aufgabe bis zum Klingeln
  4. Wenn der Wecker klingelt, dann kannst du die Aufgabe deiner To-Do Liste abhaken (ggf. Aufgaben wie eine Tomate kleinstückeln)
  5. Mache 5 Minuten Pause
  6. Nach dem vierten Durchgang machst du 20-30 Minuten Pause

Ganz wichtig: lass dich nicht ablenken und unterbrechen. Mit der Zeit wirst du feststellen, dass deine Aufmerksamkeitsspanne länger wird (ich weiß, wovon ich rede, denn während ich das schreibe, wende ich die Technik an).

[1] https://www.theguardian.com/science/2015/jan/18/modern-world-bad-for-brain-daniel-j-levitin-organized-mind-information-overload

[2] https://projectinfolit.org/smart-talk-interviews/may-i-have-your-attention-the-brain-multitasking-and-information-overload/

[3] Karsten Dusse: Achtsam Morden, 2019