In einer idealen Welt würden wir jede Information nur nach ihrem Inhalt bewerten. Doch in der Realität entscheiden psychologische und soziale Faktoren darüber, ob wir einer Botschaft Glauben schenken – und das hat oft wenig mit der Botschaft selbst zu tun.

Warum hören wir also bestimmten Menschen zu, während wir andere ignorieren? Diese Frage untersuchen Stephen Martin und Joseph Marks in ihrem Buch „Messengers: Who We Listen To, Who We Don’t, and Why“[1] . Beide kommen zu der Erkenntnis, dass die Person, die die Botschaft überbringt, oft wichtiger ist als die Botschaft selbst.

Die Übermittler von Botschaften, also die „Messengers“, fallen in zwei Kategorien: Hard Messengers und Soft Messengers. Beide Typen haben unterschiedliche Eigenschaften, die Menschen überzeugen können, und sie sprechen verschiedene Aspekte unserer Psyche an. Was zeichnet diese beiden Gruppen aus und warum sind sie so wirkungsvoll?

 

Hard Messengers: Wenn Erfolg und Dominanz zählen

 

Hard Messengers sind diejenigen, die durch ihre Stärke, Macht, Status und äußeren Erfolg überzeugen. Sie strahlen Autorität aus und vermitteln das Gefühl, dass sie wissen, wovon sie sprechen – einfach, weil sie auf den ersten Blick „gewonnen“ haben. Vier Schlüsselmerkmale zeichnen die Hard Messengers aus:

 

  1. Wirtschaftlicher Erfolg

Wer erfolgreich ist, hat oft automatisch einen Vertrauensbonus. Ein erfolgreicher Unternehmer wird schneller als Experte in Bereichen wahrgenommen, in denen er vielleicht gar nicht die größte Fachkenntnis hat. Sein finanzieller Erfolg gibt ihm jedoch die Autorität, dass andere auf ihn hören.

 

  1. Kompetenz

Kompetenz ist der klassische Faktor, den wir oft mit „Hard Messengers“ verbinden. Wenn eine Person bewiesene Fähigkeiten in einem bestimmten Bereich hat, schenkt man ihr eher Glauben. Ärzte, Wissenschaftler oder Technikexperten fallen oft in diese Kategorie. Wir hören ihnen zu, weil wir annehmen, dass sie wissen, wovon sie sprechen.

 

  1. Dominanz

Dominante Persönlichkeiten können ebenfalls sehr überzeugend sein, besonders in wettbewerblichen Umgebungen. Ein dominanter Messenger tritt selbstbewusst auf, setzt sich durch und vermittelt das Gefühl, dass er weiß, wie die Dinge laufen. Diese Durchsetzungsfähigkeit führt oft dazu, dass wir eher auf solche Personen hören – sie geben uns das Gefühl, dass sie die Kontrolle haben und uns sicher führen können.

 

  1. Attraktivität

Auch das Aussehen spielt eine Rolle! Attraktive Menschen haben einen natürlichen Vorteil, wenn es darum geht, andere zu überzeugen. Studien zeigen, dass wir Menschen, die gut aussehen, intuitiv mehr Kompetenz und Glaubwürdigkeit zuschreiben, selbst wenn ihr Aussehen nichts mit der Botschaft zu tun hat.

Diese harten Statusmerkmale führen dazu, dass Menschen dazu neigen, denjenigen zu glauben, die in irgendeiner Weise „über“ ihnen stehen. Dies kann problematisch sein, da Status nicht immer mit Kompetenz gleichzusetzen ist, aber es zeigt die immense Rolle, die Status in unserer Wahrnehmung spielt.

 

Soft Messengers: Die Macht von Nähe und Sympathie

 

Im Gegensatz zu den Hard Messengers überzeugen Soft Messengers durch ihre Fähigkeit, Vertrauen und Sympathie zu schaffen. Sie zeichnen sich durch Wärme, Authentizität und emotionale Verbundenheit aus. Diese Botschafter sind nicht unbedingt in einer Machtposition, aber sie können uns durch ihre Persönlichkeit und menschliche Nähe dazu bringen, ihnen zu glauben. Auch hier gibt es vier Hauptmerkmale:

 

  1. Wärme

Soft Messengers strahlen Freundlichkeit und Mitgefühl aus. Sie gewinnen unser Vertrauen, weil sie empathisch wirken und uns das Gefühl geben, dass sie unsere Bedürfnisse verstehen. Solche Menschen sind die, die zuhören, wenn wir reden, und uns das Gefühl geben, wirklich gesehen zu werden. Ihr Einfluss basiert weniger auf Wissen oder Erfolg, sondern darauf, dass sie als liebevoll und zugänglich wahrgenommen werden.

 

  1. Verletzlichkeit

Verletzlichkeit ist eine mächtige Waffe, die oft unterschätzt wird. Wenn jemand offen über seine Fehler, Ängste oder Schwächen spricht, wirkt das auf uns authentisch und echt. Diese Offenheit schafft eine emotionale Bindung und Vertrauen. Brené Brown, die durch ihre Forschung zur Kraft der Verletzlichkeit bekannt wurde, ist ein gutes Beispiel. Menschen hören ihr zu, weil sie mutig über ihre eigenen Unsicherheiten spricht und uns zeigt, dass es okay ist, nicht perfekt zu sein.

 

  1. Glaubwürdigkeit

Glaubwürdigkeit bedeutet, dass wir jemanden als ehrlich und authentisch wahrnehmen. Soft Messengers wirken glaubwürdig, weil sie keine versteckten Motive haben. Sie sprechen von Herzen und wollen uns nichts verkaufen oder manipulieren. Diese Art der Authentizität führt oft dazu, dass wir ihren Worten mehr vertrauen als den Worten eines mächtigen, aber distanzierten Hard Messengers.

 

  1. Charisma

Charismatische Menschen haben die besondere Fähigkeit, andere durch ihre Persönlichkeit anzuziehen. Sie sind charmant, inspirierend und schaffen es, uns emotional zu berühren. Charisma ist schwer zu definieren, aber man spürt es sofort, wenn man es erlebt. Es sind die Menschen, bei denen wir uns einfach gut fühlen, wenn sie den Raum betreten, weil sie positive Energie und Enthusiasmus ausstrahlen.

Soft Messengers sind in sozialen Gruppen besonders wichtig, da sie Vertrauen und Loyalität aufbauen. Sie spielen oft die Rolle des „Freundes“, zu dem man geht, wenn man unsicher ist oder Rat sucht. Diese Art von Messenger ist besonders effektiv in persönlichen und interpersonellen Beziehungen.

 

Hard vs. Soft Messengers – Wem hören wir (lieber) zu?

Ob Hard oder Soft Messenger erfolgreicher sind, hängt stark vom Kontext ab. In stressigen oder kompetitiven Situationen, in denen es um Leistung oder Krisenbewältigung geht, neigen wir dazu, Hard Messengers zu vertrauen. Wenn wir Sicherheit und Klarheit brauchen, wenden wir uns an diejenigen, die Macht, Erfolg oder Autorität ausstrahlen.

Forschungsergebnisse legen nahe, dass Personen, die als mächtig und dominant wahrgenommen werden und die potenziell den größten Einfluss auf unser Wohlergehen haben können, schneller beachtet werden als Softmessengers. Ebenso ziehen attraktive Personen die Aufmerksamkeit besonders leicht und schnell auf sich, was auf den evolutionären und sozialen Wert von Attraktivität zurückzuführen ist. Die Tatsache, dass eine Person Aufmerksamkeit erregt, ist natürlich keine Garantie dafür, dass die geäußerten Ideen, Meinungen oder Bitten akzeptiert oder befolgt werden. Aber es bedeutet, dass sie nicht auf taube Ohren stoßen werden. Allein die Tatsache, dass ihnen Aufmerksamkeit zuteil wird und man ihnen zuhört, bedeutet, dass sie mit größerer Wahrscheinlichkeit berücksichtigt werden.

In zwischenmenschlichen Beziehungen oder wenn es um emotional aufgeladene Themen geht, sind Soft Messengers oft erfolgreicher. Wir suchen nach Menschen, die uns verstehen, uns mit Wärme begegnen und auf einer persönlichen Ebene zu uns durchdringen.

 

Kognitive Abkürzungen

Zusätzlich nutzen wir gern kognitive Abkürzungen, um Entscheidungen zu treffen, besonders in komplexen oder unsicheren Situationen. Wir konzentrieren uns auf den Messenger statt auf die Botschaft selbst. Beispiele sind:

  • Autoritätsheuristik: Wenn jemand eine Position der Macht oder des Wissens innehat, neigen wir dazu, seine Aussagen eher zu akzeptieren, auch wenn wir wenig über den tatsächlichen Inhalt wissen.
  • Sympathieheuristik: Wir tendieren dazu, Botschaften von Menschen zu glauben, die wir mögen oder denen wir uns verbunden fühlen, unabhängig davon, ob ihre Argumente stark sind oder nicht.
  • Wiederholungsheuristik: Wiederholung führt oft zu Glaubwürdigkeit. Wenn eine Botschaft oder ein Messenger oft genug wiederholt wird, sind wir eher geneigt, ihm zu glauben.

 

Warum wir manchmal wichtige Botschaften ignorieren

Wir ignorieren wichtige und nützliche Botschaften und lassen uns von unwichtigen oder falschen Informationen beeinflussen? Oft liegt es daran, dass der Messenger nicht die richtige Person für uns ist. Wenn uns zum Beispiel jemand, den wir nicht mögen, einen guten Rat gibt, neigen wir dazu, diesen zu ignorieren, auch wenn er uns helfen könnte. Oder wenn eine Botschaft zu kompliziert ist, verlieren wir schnell das Interesse: 

  • Falscher Messenger: Wenn eine wichtige Botschaft von einer Person kommt, die nicht als glaubwürdig oder vertrauenswürdig wahrgenommen wird, neigen Menschen dazu, sie zu ignorieren, auch wenn die Botschaft selbst wertvoll ist.
  • Kognitive Dissonanz: Wenn eine Botschaft im Widerspruch zu den bestehenden Überzeugungen oder dem Selbstbild steht, neigen Menschen dazu, sie zu ignorieren oder abzulehnen. Dies gilt besonders dann, wenn der Messenger als „Feind“ oder Außenseiter wahrgenommen wird.
  • Komplexität: Komplexe oder schwer verständliche Botschaften werden oft ignoriert, selbst wenn sie von einem glaubwürdigen Messenger übermittelt werden. Menschen neigen dazu, einfache, leicht verständliche Informationen zu bevorzugen.

 

Die dunkle Seite der Macht

Manche Menschen wissen genau, wie sie ihre Rolle als Messenger ausnutzen können, um andere zu manipulieren. Politiker, Werbetreibende und sogar Personen in unserem Alltag nutzen oft bewusst oder unbewusst diese psychologischen Prinzipien, um uns zu beeinflussen. Darum ist es wichtig, dass wir kritisch bleiben und uns fragen: „Warum vertraue ich dieser Person?

 

Welcher Messenger überzeugt nun also?

Es geht also nicht immer nur um den Inhalt der Botschaft, sondern oft viel mehr um die Person, die sie überbringt. Ob wir einem Hard Messenger oder einem Soft Messenger vertrauen, hängt von der Situation und unseren eigenen Bedürfnissen ab.

Hard Messengers punkten mit Erfolg, Macht und Autorität, während Soft Messengers durch Nähe, Wärme und Authentizität überzeugen. Beide haben ihren Platz in der Kommunikation, und je mehr wir uns bewusst machen, wie diese Mechanismen funktionieren, desto besser können wir entscheiden, wem wir wirklich zuhören sollten. Denn auch wenn unsere grundlegenden Persönlichkeiten im Laufe der Zeit relativ stabil bleiben, ist so ziemlich alles andere in unserem Leben ein leichtes Spiel für die Boten der Gesellschaft, auf die wir hören.

 

 

 

 

 

 

[1] Martin and Marks, 2019: Messengers, Who We Listen To, Who We Don’t, and Why

Titelbild: Stephen Mayes über unsplash