Dr. Patrick Vogt ist Anwalt für Wirtschaftsrecht bei VCFV legal.
Seit über 15 Jahren berät er Unternehmen und Unternehmer in verschiedenen rechtlichen Themen und sagt von sich, kein typischer Anwalt zu sein.
Was bedeutet Zuhören für Sie?
Zuhören ist für mich in erster Linie verstehen, was andere Leute bewegt und was sie antreibt, was sie vermitteln wollen und worum es ihnen im Einzelnen gerade geht. Zuhören gleich verstehen.
Was ist das Besondere am Zuhören bei Ihrer Arbeit als Anwalt?
Ich bin nicht so ganz der typische Anwalt, weil ich in meiner Arbeit gestaltend tätig bin. Ich führe keine Rechtsstreitigkeiten, sondern helfe meinen Mandaten dabei, Verträge zu entwerfen, Umstrukturierungen umzusetzen und ähnliches. Dabei ist es natürlich im ersten Schritt ganz entscheidend, überhaupt zu verstehen, was denn die einzelnen Parteien tatsächlich möchten. Das gilt insbesondere für den eigenen Mandaten, aber auch für die Gegenseite. Ein Vertrag ist immer auch ein Kompromiss, eine Lösung, die möglichst allen gerecht wird. Das funktioniert nur, wenn ich verstehe, was denn das Ziel aller Beteiligten ist und wo sie überhaupt hinwollen.
Das gelingt mir nicht immer, ich versuche, mich in den Gesprächen sowohl mit dem eigenen Mandanten als auch mit der Gegenseite zurückzuhalten und die Beteiligten sprechen zu lassen. Das ist gerade bei Rechtsanwälten ein häufiges Phänomen, dass sie häufig sprechen und wenig zuhören. Ich versuche, den gegenteiligen Weg zu gehen und zuzuhören, was die Leute sagen, und nicht immer die aktive Rolle im Gespräch zu übernehmen. Das verlangt keine besondere Technik, aber ich frage regelmäßig und ganz platt nach „Worum geht es Ihnen eigentlich, was wollen Sie erreichen?“. Gerade in Verhandlungsszenarien beharren die Mandanten häufig auf ihren Positionen und es ist gar nicht so leicht herauszufinden, was denn dahintersteht und das eigentliche Ziel ist. Nachfragen ist der einfachste Weg, um Interessen und Ziele zu identifizieren. Nicht selten sind die Mandanten überrascht, weil sie es gar nicht kennen in Verhandlungen, gefragt zu werden.
Wie haben Sie gelernt, zuzuhören?
Ich habe es nicht explizit gelernt. Grundsätzlich ist zuhören und herausfinden, wo denn die Interessen der Beteiligten liegen, ein Thema, was zum Beispiel in der Mediation sehr präsent ist. Für Anwälte hingegen ist es wirklich schon etwas Neues. Als Anwalt wird man während des Studiums und des Referendariats dahingehend ausgebildet, eine bestimmte Position zu vertreten. Was jedenfalls in meiner Ausbildung nicht gelehrt wurde, ist zuzuhören und wirklich zu verstehen, was die Beteiligten wollen und worum es ihnen eigentlich geht.
In einer typischen Verhandlung treffe ich auf Anwälte, die sehr dominieren und versuchen, das Gespräch an sich zu ziehen. Das kann gerade in einer Verhandlungssituation schwierig sein, denn am Ende geht es ja darum, Lösungen zu finden, die für beide Seiten Sinn machen und die Interessen von beiden Parteien berücksichtigen. Am Ende kriegt man das natürlich nicht hin, wenn man die Anwälte aufeinander loslässt und Positionen austauschen lässt. Das Geheimnis ist, wirklich einfach mal zuzuhören, um zu verstehen, wo denn gerade die Bedenken liegen und wo jeder einzelne hinmöchte. Dann ist es am Ende wirklich viel leichter, Lösungen im Interesse aller Beteiligten zu finden.
Dabei ist es ist wirklich nicht immer einfach: Wenn ich selbst nicht viel sage, sondern erstmal zuhören will, dann erlebe ich häufig die Situation, auf der Gegenseite Anwälte zu haben, die das als Einladung sehen, selbst das Gespräch an sich zu reißen und gerade ihre eigenen Mandanten damit auch ein Stück weit zu übergehen.
Das Spielfeld abzustecken und möglichst viel Redezeit zu haben, ist ein Ziel, was häufig verfolgt wird. Das führt dazu, dass gerade die Beteiligten, um die es eigentlich gehen sollte, in solchen Verhandlungen eher wenig sagen. Ich habe häufig das Gefühl, dass es in den internen Vorgesprächen nicht anders war. Manchmal denke ich, wir verhandeln gerade darüber, was der Berater auf der Gegenseite will und nicht, was sein Mandant will.
Ich versuche, das ganz bewusst anders zu machen. Der Aspekt, dass ich gestaltend und nicht in Prozessen unterwegs bin, ist für mich dabei natürlich auch eine gewisse Besonderheit und bei meinen Kollegen mit Sicherheit anders.
Wann hat Ihr Zuhören einen Unterschied gemacht?
Es gibt schon mehrere Momente, wo ich das Gefühl habe, dass das Zuhören geholfen hat. Ich bin stark im Kontext Unternehmenskäufe unterwegs. Ich berate zum Beispiel regelmäßig einen Mandanten aus dem Ausland, der hier in Deutschland Transaktionen macht. Neben den kulturellen Unterschieden trifft hier auch ein großer Konzern auf traditionelle Familienunternehmer. Die verstehen sich häufig nicht auf Anhieb, weil sie aus ganz unterschiedlichen Welten kommen. Es hat meiner Arbeit immens geholfen, bei beiden Seiten zu verstehen, wo sie herkommen und das dann auch der jeweiligen Gegenseite zu erklären. Genau das hat häufiger dazu geführt, dass die Dinge vorwärts gingen und wir einen Modus gefunden haben, miteinander zu arbeiten und nach Lösungen zu suchen, während es vorher teilweise Wochen und Monate lang hing, weil jeder den anderen nicht verstanden hat.
Was hat sich für Sie verändert?
Ein wirklich gemeinsames Verständnis zu schaffen: damit waren wir relativ erfolgreich für die Mandaten und wir konnten einige Transaktionen durchführen, bei denen ich anfangs dachte, die werden sich nie einigen, weil sie sich einfach nicht verstanden.
Spannenderweise hat das auch intern langfristig mit dem Mandanten geholfen, weil wir jetzt auch anders an bestimmte Dinge herangehen können. Wir fahren gemeinsam einen anderen Ansatz. Wir haben gelernt, es geht zuerst darum, zu verstehen, was denn eigentlich die Besonderheiten sind. Wir werden kein gutes Ergebnis erreichen, wenn wir immer nur mit unserem Standard vorgehen und versuchen, durchzukommen.
Wenn am Ende der Arbeit tatsächlich der Erfolg steht, habe ich das Gefühl, durch mein Wirken etwas erreicht zu haben. Zuhören und verstehen wollen sind elementar in dem Zusammenhang. Ich versuche, es noch umfangreicher und konsequenter in meine Arbeit einzubringen.
Lieber Patrick Vogt, vielen Dank!
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